Beim Stichwort „Krebs“ denken die meisten Menschen an die Nebenwirkungen der bekanntesten Behandlungsformen, wie der Chemo- oder Strahlentherapie. Viel zu selten spricht man über die Möglichkeiten der modernen Medizin. Mit unterstützenden Behandlungen, sogenannten supportiven Therapien, lassen sich viele der unangenehmen Begleiterscheinungen lindern oder sogar ganz vermeiden. Der Onkologe Dr. Friedrich Overkamp erklärt auf unserer Support-Bank, was eine Supportivtherapie ist, was sie leisten kann und warum sie Bestandteil jeder Krebsbehandlung sein sollte.

Supportive Therapien – was genau ist das?

Im ersten Teil der Interview-Reihe spricht Dr. Overkamp über die großen Fortschritte bei der Behandlung von Krebs. Neue Therapieformen haben weniger Nebenwirkungen, und gegen die „klassischen“ Nebeneffekte von Chemo- und Strahlentherapie kann die Medizin heute sehr viel unternehmen. Die Summe dieser Möglichkeiten nennt sich fachsprachlich „supportive Therapie“. Aber was versteht man im Einzelnen darunter? Dr. Overkamp erklärt:

„Supportiv heißt unterstützend. Jede Tumor-Therapie, nicht nur die Chemo- und die Strahlentherapie, auch die moderneren, zielgerichteten und immunonkologischen Therapien, brauchen unterstützende Maßnahmen.“

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Wir müssen so viel wie möglich tun, um Nebenwirkungen von vorneherein so gut es geht zu vermeiden – wie Übelkeit, Erbrechen – oder, wenn sie denn aufgetreten sind, sie zu behandeln. Das Ziel dieser Maßnahmen ist, Nebenwirkungen so gut es geht im Vorfeld zu vermeiden, wie zum Beispiel Übelkeit oder Erbrechen. Wenn sie doch auftreten gilt es sie, sie zu behandeln, etwa Durchfall oder Hautveränderungen. Denn viele in der Krebstherapie eingesetzte Medikamente können die Haut angreifen, indem sie sie austrocknen oder Entzündungen hervorrufen.

„All das kann man erfolgreich bekämpfen, und das nennt man Supportivtherapie: Unterstützung der eigentlichen Tumortherapie durch Medikamente, die Nebenwirkungen mildern oder gar nicht erst auftreten lassen.“

In den meisten Fällen erfolgt eine supportive Therapie medikamentös. Es gibt eine ganze Fülle an „Supportiva“, wie man die unterstützend wirkenden Medikamente nennt. Diese helfen zum Beispiel sehr gut gegen Hautnebenwirkungen, gut bei Übelkeit und Erbrechen, Durchfall wirken oder um die Atemwege zu befreien. Die Bandbreite der supportiven Therapien ist aber noch größer: Neben den Supportiva spielt auch der Einfluss von Sport und Bewegung eine wichtige Rolle. Das Gleiche gilt für eine gesunde und vitaminreiche Ernährung. Beides gehört ebenfalls zum Gesamtspektrum der Supportivtherapie.

Mögliche Nebenwirkungen supportiver Therapien

Zwar kommt es kaum vor, aber auch Supportiva können manchmal Nebenwirkungen auslösen. So verursacht ein Mittel gegen Erbrechen manchmal vielleicht Verstopfung. „Gute Medikamente haben auch immer ihre Schattenseiten,“ klärt Dr. Overkamp auf. Jeden Einzelfall muss man abwägen, welche Symptomatik wichtiger zu bekämpfen ist: Nimmt man dafür mögliche Nebenwirkungen von Supportiva in Kauf, oder lindert man deren Nebenwirkungen gleichzeitig durch weitere unterstützende Maßnahmen?

 „Onkologie ist die Kunst der Balance.“

Dr. Overkamp nennt als Beispiel eine Waage: „Wir müssen so viel möglich in die Waagschale der Anti-Krebstherapie werfen. Die muss so stark wie möglich sein. Andererseits müssen wir in die Waagschale der supportiven Medikamente auch so viel wie möglich hineinlegen, um die Nebenwirkungen zu lindern oder gar nicht erst auftreten zu lassen.“

Supportive Therapien als fester Bestandteil jeder Krebstherapie – Stand heute

Trotz aller Vorteile werden in Deutschland noch nicht 100 Prozent aller Krebsbehandlungen durch Supportivtherapien unterstützt. „Sie sollten es immer sein!“, betont Dr. Overkamp und bezeichnet die aktuelle Situation vorsichtig-höflich als „diskrete Unterversorgung“.

„Nicht jeder Patient erhält die optimale supportive Therapie gegen seine Nebenwirkungen, die eigentlich machbar wäre.“

Dr. Overkamp weiß auch um die Ursachen. Für viele Ärzte steht zunächst die Behandlung der Krebserkrankung im Vordergrund. Das sei verständlich, doch appelliert Dr. Overkamp, die Supportivtherapie solle einen mindestens gleichhohen Stellenwert in der Krebsbehandlung einnehmen. Patienten müssen und dürfen das einfordern. „Die Supportivtherapie muss Bestandteil der Tumortherapie sein“, betont er.

„Eine optimale Supportivtherapie verbessert das Ergebnis der Gesamtbehandlung.“

Dafür gibt es gute Gründe. Neben einer deutlich verbesserten Lebensqualität für die Patienten kann der Einsatz von unterstützenden Supportivtherapien auch die Erfolgsaussichten der Behandlung erheblich steigern. Es gibt ganz klare Studien, dass eine optimale Supportivtherapie das Ergebnis der Gesamtbehandlung verbessert und wie gut und lange sie danach weiterleben. Das hänge sehr stark von den unterstützenden Möglichkeiten ab.

Das war der zweite Teil unserer vierteiligen Interview-Reihe mit Dr. Overkamp. Im nächsten Video geht es um die Frage, was Lebensqualität für Krebspatienten heutzutage bedeuten kann. 

Dr. med. Friedrich Overkamp ist seit 1985 Onkologe und hat über 25.000 Krebspatienten begleitet. Seit 2018 ist er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie (AGSMO) der Deutschen Krebsgesellschaft, die sich unter anderem für eine Verbesserung der supportiven Versorgung und Lebensqualität von Krebspatienten einsetzt. Neben seiner Arbeit als Mediziner vermittelt er als Berater, Moderator und Speaker medizinische Themen einer breiten Öffentlichkeit.